Peer-Review-Verfahren

Hallo! Immer wieder höre ich das Argument, dass eine Open-Access-Zeitschrift einen Mangel an Qualität aufweist, da ein klassischer Begutachtungsprozess nicht gewährleistet wird. Wie ist Ihre/eure Erfahrung mit diesem Thema? Wenn jemand einem Peer-Review-Verfahren die Genauigkeit abspricht, fehlt es mir manchmal an Argumentationsmöglichkeiten. Wie begegnen*t Sie/ihr dem Ganzen?

Natürlich gibt es Zeitschriften, die kein ordentliches Peer Review durchführen, aber das ist unabhängig davon, ob die Zeitschrift Open Access oder Closed Access erscheint. Außerdem ist es schwierig zu überprüfen, ob es sich um Einzelfälle handelt oder generell der Fall ist. Und auch bei einer ernsthaften Begutachtung können Fehler übersehen werden, was dann Leser:innen zur Annahme verleiten könnte, es hätte keine stattgefunden.

Peer Review ist wichtig, aber in der traditionellen Form alles andere als perfekt. Open Peer Review ist sicher ein Fortschritt, sei es in dem Sinn, dass der ganze Prozess öffentlich ist und jede/r kommentieren kann (und so mehr verbesserungswürdige Punkte auffallen als bei nur einem oder zwei Gutachtern), sei es, dass die Gutachten zusammen mit dem Artikel veröffentlicht werden (und so nachvollzogen werden kann, wie gründlich das Review war).

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Danke @sschmeja.
Ich freue mich über den Bericht jeder weiteren positiven / negativen Erfahrung mit Begutachtungsverfahren.
Ich möchte gerne verstehen, wie das wiederkehrende Argument der angeblich schlechten, mangelnden Qualitätskontrolle bei OA-Veröffentlichungen entsteht/entstand.

Es ist leichter eine neue Open Access Zeitschrift an zu fangen als eine neue Abo Zeitschrift. Wenn man in eine neue OA Zeitschrift veröffentlicht können alle Kollegen den Artikel lesen, während eine neue Abo Zeitschrift am Anfang keine Leser hat. Großverlage können dies etwas umgehen, durch mehrere Zeitschriften zusammen mit Rabatt zu verkaufen und so neue Zeitschriften Bibliotheken aufzwingen.

Der einfachere Marktzugang sorgt für mehr Wettbewerb und damit auch für einige weniger seriöse Versuche eine Zeitschrift an zu fangen. Konzernen hassen Wettbewerb, Wettbewerb ist schlecht für die Profite. Also weisen die Großverlage gerne auf die unseriöse Zeitschriften um ihren Revier zu verteidigen.

Gute Open Access Zeitschriften sind aber genau so gut wie Abo Zeitschriften. Gute Wissenschaftler wissen was die gute Zeitschriften in ihren Fachgebiet sind und wer die gute Wissenschaftler in ihren Fachgebiet sind. Ich habe letztem Jahr in eine neue OA Zeitschrift veröffentlicht, war ein gutes Artikel, ich kenne die Redakteure und vertraue, dass das Zeitschrift einen guten Ruf bekommen wird.

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Zu diesem Eindruck und Argument auch beigetragen haben sicherlich die vielen sogenannten Raubjournale (Predatory Journals), die eine seriöse, begutachtete und frei zugängliche Zeitschrift versuchen vorzutäuschen, tatsächlich aber weder seriös noch begutachtet sind. Sie streichen lediglich die von in der Regel ahnungslosen und gutgläubigen Autor:innen für die Veröffentlichung bezahlten Publikationsgebühren ein, worin das Geschäftsmodell besteht. Zu diesem gehört das massenhafte Versenden von E-Mails an Wissenschaftler:innen, in denen für die günstige Publikationsmöglichkeit geworben wird. Insofern kann es womöglich sein, dass viele Wissenschaftler:innen – insbesondere noch vor einigen Jahren und insbesondere diejenigen, die sich proaktiv wenig für Open Access interessiert haben – eher solche schlechten Beispiele vermeintlicher Open-Access-Zeitschriften vernommen haben als seriöse und qualitativ hochwertige Open-Access-Zeitschriften.

Ein illustratives Beispiel ist der Artikel ‚Who’s Afraid of Peer Review?‘ von John Bohannon, der im Oktober 2013 in Science veröffentlicht wurde – sowie die auf den Artikel gefolgten Reaktionen. Mittlerweile exisitert sogar ein englischsprachiger Wikipedia-Artikel dazu, der beides gut zusammenfasst: https://en.wikipedia.org/wiki/Who’s_Afraid_of_Peer_Review%3F

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Hallo @marc.lange , danke für Ihren Literaturverweis. Wenn ich mit Aufzeigen dieses Artikels einen möglichen Ursprung für die Unsicherheiten erkennen kann, hilft mir das in meiner Argumentationslinie.

Wir nutzen in Schulungen gern das (platte) Beispiel der Apothekenrundschau, in der man sich Publikationsraum per Anzeigenschaltung kaufen kann, die frei verteilt wird und die trotz der medizinischen Themen darin nie als ernsthaftes Wissenschaftsorgan gelten würde. OA-Zeitschriften, die sich als Teil des Wissenschaftsdiskurses begreifen (die überwältigende Mehrheit tut das ja), können es sich nicht erlauben, Publikationsraum losgelöst von Qualitätsprüfung zu verkaufen. Sie finanzieren sich zwar über Zahlungen auf der Produzentenseite, aber sie können dauerhaft nur bestehen, wenn sie Reputation aufbauen.
Was allerdings Fakt ist, dass in den Web of Sciences Rankings (v.a. auf JIF-Basis) im obersten Quartil nur relativ wenig OA-Titel auftauchen. Dies liegt aber nicht am Zugangsmodell, sondern an dem Lebenszyklus der Journals. Das Gros der Journal-Neugründungen sind OA-Journals. In einer „all else equal“ Analyse würde daher der beschriebene Effekt weitgehend verwischen bzw. sich unter Umständen sogar umkehren.

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