IntechOpen seriös?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir haben die Anfrage erhalten, ob wir das publizieren eines Buchkapitels in einem Sammelband bei IntechOpen unterstützen würden.
Bisher haben wir uns nur mit der Unterstützung von Zeitschriftenartikeln beschäftigt, würden aber gerne unser Portfolio erweitern.

Der Verlag ist mir bisher unbekannt, die Lehrbücher die dort open access gestellt werden, wirken auf den ersten Blick nicht besorgniserregend.
Allerdings ist der Verlag auf der Liste von BEALL, die aber umstritten und schon länger nicht mehr gepflegt wird. Bei Researchgate vertreten einige die Meinung er sei predatory, andere finden den Verlag gut.
Bei b.i.t. online ist von einer Kooperation mit Intechopen und Knowledge Unlatched zu lesen. https://www.b-i-t-online.de/neues/5255
Der Verlag ist auch Mitglied der OASPA.

Ich bin daher verunsichert. Können Sie mir bei der Einordnung des Verlages helfen? Ich möchte ungern ein Buchkapitel finanziell unterstützen, welches bei einem unseriösen Verlag erscheint.

Viele Grüße
Julia Heitmann-Pletsch

Liebe Julia Heitmann-Pletsch,

ich kannte den Verlag IntechOpen bisher nicht. Ich kann auch keine eindeutige Einschätzung zum Verlag geben, würde den Verlag aber nach genauerer Betrachtung der Verlagswebseite und einiger publizierter Bücher sowie des Lesens einiger Berichte mindestens als fragwürdigen Fall einstufen.
Hierzu aber vorab der Hinweis, dass ich grundsätzlich eine binäre Einteilung in predatory/schlecht und nicht-predatory/gut für nicht geeignet halte, sondern die Einordnung von Verlagen und Publikationsorten hinsichtlich der Seriosität und Qualität eher im Sinne eines Schieberegelers mit vielen Abstufungen für angemessen halte.

Die Webseite macht einen professionellen Eindruck; dies ist etwas, das bei nachweislichen Raubverlagen und -journalen (bspw. Omics und Waset) häufig bei genauerem Blick nicht der Fall ist. Fragwürdig finde ich allerdings die Selbstbezeichnung des Verlags als „world’s leading publisher of Open Access books“ sowie die Behauptungen „Visibility on the world’s strongest OA platform“, „Proven world leader in Open Access book publishing with over 10 years experience“ und „Most competitive prices in the market“. Fragwürdig ist auch, dass für das Herunterladen der Volltexte oftmals eine Angabe von persönlichen Daten notwendig ist (Beispiel). Der anspruchslose Satz der Volltexte und die Verwendung von vermutlich Stockfotos als Coverabbildungen ohne inhaltlichen Bezug macht mich weiter skeptisch; hierzu muss ich aber anmerken, dass qualitativ minderwertiger Satz und eine insgesamt billig wirkende Aufmachung aber auch bei als reputabel angesehenen Verlagen der Fall ist, meiner Meinung nach bspw. bei Routledge. Die Inhalte der Bücher aus Bereichen, die ich beurteilen kann, haben mich auf den schnellen Blick auch nicht überzeugt. Mitunter sind Kapitel und einzelne Absätze in Kapiteln sehr kurz und wenig stichhaltig. Die Sammelbände wirken mitunter auch wie recht willkürliche Zusammenstellungen, bei dem dann der kleinste gemeinsamen Nenner als Titel des Sammelbands gewählt wird. (Auch das habe ich aber bereits bei vielen anderen Verlagen gesehen, es ist vielleicht eher ein Phänomen von Sammelbänden.) Einige Sammelbände haben nur drei Kapitel, andere mehr als fünfzehn. Es wirkt so, als würden eben so viele Kapitel aufgenommen, wie sich Autor:innen gefunden haben.

Und zahlreiche Berichte in Austauschforen etc. legen auch nahe, dass der Verlag proaktiv Autor:innen für Bücher und Aufsätze anzuwerben versucht, um vorab definierte Bücher zu publizieren bzw. Sammelbände zu füllen. Ich sehe in solch einer Vorgehensweise grundsätzlich einen Grund zur Skepsis, allerdings gibt es dies bei anderen, durchaus bekannteren Verlagen mitunter auch. Und Open Access macht genau dieses Geschäftsmodell ja auch attraktiv.

Ich würden IntechOpen, wie oben gesagt, als fragwürdigen Fall einstufen. Auch würde ich selbst bei diesem Verlag nicht publizieren.

Haben Sie mit dem/der Autor:in schon Rücksprache zum Kontext der Publikation gehalten? So bspw. zur Entstehung der Publikation oder wie der Kontakt zum Verlag bzw. den Herausgeber:innen zustande kam?

Helfen können hier vielleicht auch die Empfehlungen von ‚Think.Check.Submit.‘ (https://thinkchecksubmit.org/).

Beste Grüße,
Marc Lange

Lieber Herr Lange,

vielen Dank für Ihre Antwort. Ich hatte den Autor angerufen und nachgefragt wie er auf den Verlag kommt. Er hat gemeint, der Herausgeber hätte den Verlag gewählt. Unabhängig von unserer Förderung will er das Kapitel aber publizieren.
Mich wundert die Wahl vor allem deswegen, weil man bei Springer mittlerweile zum selben Preis publizieren kann.

Die Aussagen bzgl. „world’s leading publisher…“ usw. hätte ich als enorm selbstbewusstes Marketing abgetan. Aber das Herunterladen der Volltexte nach der Eingabe persönlicher Daten sehe ich auch kritisch. Ich bin aber auch Datenschutzkoordinatorin :wink:

Mein erster Eindruck hat aber, genau wie bei Ihnen, Bauchweh erweckt. Allerdings passt die Kooperation mit Knowledge Unlatched nicht zu diesem Gefühl…

Ich denke ich werde nochmal den Kontakt mit dem Autor suchen.

Beste Grüße
Julia Heitmann-Pletsch

Liebe Frau Heitmann-Pletsch,

ich würde in einem solchen Fall durchaus auch bei Knowledge Unlatched und der OASPA zur Einschätzung des Verlags nachfragen.

Teilen Sie gerne weitere Informationen zur Sache oder falls Sie weitere Informationen über den Verlag erlangen.

Beste Grüße,
Marc Lange

Lieber Herr Lange,

daran hatte ich auch gedacht. Ich habe direkt zwei Mails verfasst und bin auf das Ergebnis gespannt. Gerne teile ich die weiteren Erkenntnisse mit.

Update:
Ich habe gerade Rückmeldung von Knowledge Unlatched erhalten. Die Einordnung bei Beall basiert wohl auf dem nicht mehr fortgeführten Zeitschriftenportfolio von Intech.
Mir wurde zusätzlich das Statement des Verlages weitergeleitet, in dem unter anderem Kooperationspartner geannt werden (NASA, Wellcome Trust, Bill und Melinda Gates Foundation, usw.) und ihre Ethik-Verpflichtung genannt wird. Ebenso gibt es wohl einen peer review process, editorial policies usw.

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Update:
OASPA hat sich heute bei mir gemeldet. In ihren Guidelines ist der freie Zugang zu den OA-Inhalten ohne Registrierung eine Voraussetzung welche die Mitglieder erfüllen müssen. Sie überprüfen meinen Hinweis bzgl. Registrierung.

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Hallo zusammen,
liebe Frau Heitmann-Pletsch,

dieses ältere – und interessanterweise mit zum jetzigen Stand rund 4.600 Abrufen scheinbar gefragte – Forenthema möchte ich reaktivieren.

Denn seit 2022 bietet IntechOpen auch wieder Zeitschriften an, zum jetzigen Stand drei Stück:

  • AI, Computer Science and Robotics Technology
  • Digital Medicine and Healthcare Technology
  • Green Energy and Environmental Technology

Im DOAJ sind die Zeitschriften bisher nicht gelistet, auch in anderen Datenbanken und Indexen sind sie aktuell nicht gelistet.

Gibt es in der Community bereits Erfahrungen mit einer der Zeitschriften oder mit der Zeitschriftensparte von IntechOpen allgemein? Gab es beispielsweise Beratungsanfragen dazu oder Förderanträge für Artikel aus den Zeitschriften?

Beste Grüße,
Marc Lange